Von der Literaturwissenschaft in die Finanzberatung – wie mein Studium Türen öffnete

von
Katharina Vranic
| 01.09.2025
Ich bin 28 Jahre alt – und die Erste in meiner Familie, die studiert hat. Mein Fach war die Literaturwissenschaft, interdisziplinär ausgerichtet , mit Schwerpunkten in Medien, Gender, Kultur und Sprache. Es war eine spannende und intensive Zeit, die meinen Blick für gesellschaftliche Fragen geschärft hat. Doch am Ende meines Studiums stand ich vor einer Frage, die viele Geisteswissenschaftler:innen kennen: Und jetzt?
Die größte Herausforderung: Der Berufseinstieg
Während andere Absolvent:innen klar definierte Berufsbilder anstrebten, sah ich nur ein weites Feld voller Möglichkeiten – aber ohne Wegweiser. Ohne klassische Berufsprofile fehlte mir lange die Orientierung. Ich wusste, was ich konnte: analytisch denken, komplexe Inhalte verständlich machen, verschiedene Perspektiven verbinden. Aber ich wusste nicht, wo das gebraucht wird. Diese Unsicherheit war meine größte Hürde. Ich wechselte zwischen Nebenjobs, Projektarbeiten und dem Gefühl, zwar viel Wissen zu haben, aber keinen konkreten Platz, an dem es zur Geltung kommen konnte. Rückblickend war das eine prägende Phase – voller Zweifel, aber auch voller Lernmomente.
Der Wendepunkt
Der entscheidende Schritt kam, als ich aufhörte, mein Studium als Einschränkung zu sehen, und begann, es als Ressource zu verstehen. Ich musste gängige Erwartungen hinter mir lassen: dass ein Studium automatisch in ein bestimmtes Berufsfeld führt oder dass Geisteswissenschaftler:innen „nur“ in Kulturinstitutionen arbeiten können.
Ich entschied mich bewusst, meine Kompetenzen in neue Kontexte zu übertragen. Zunächst landete ich in der Bildungsarbeit rund um Künstliche Intelligenz. Dort ging es darum, technologische Entwicklungen verständlich zu machen, ethische Fragen zu diskutieren und Lernprozesse zu gestalten. Bald merkte ich: Genau hier konnte ich meine Stärken einsetzen – Sprache, Analyse, Perspektivenvielfalt. Später folgte ein weiterer Schritt, der mich überrascht hat: die Finanzberatung. Auf den ersten Blick eine ganz andere Welt, auf den zweiten Blick ein Feld, in dem es wieder um dasselbe geht – komplexe Themen so aufzubereiten, dass Menschen Orientierung finden und gute Entscheidungen treffen können.
Heute: Zwei Welten, ein roter Faden
Heute bin ich selbstständig tätig – als unabhängige Finanzberaterin bei HORBACH und als Dozentin für Künstliche Intelligenz mit Fokus auf Ethik und Anwendung. Was diese beiden Bereiche verbindet, ist der rote Faden meines Werdegangs: Orientierung geben. Komplexität übersetzen. Menschen stärken, eigene Entscheidungen zu treffen. Ob es um Rentenvorsorge oder Algorithmen geht – mein Ziel ist es, Klarheit zu schaffen, wo Unsicherheit herrscht.
Mein Antrieb
Ich möchte zeigen, dass ein geisteswissenschaftliches Studium nicht das Ende der Optionen ist – sondern der Anfang eines individuellen Weges. Ein Weg, der nicht immer sofort sichtbar ist, aber enormes Potenzial birgt, wenn man ihn mutig weitergeht. Mein Weg hat mich gelehrt: Geisteswissenschaft ist kein Umweg, sondern ein Fundament. Es eröffnet Denk- und Handlungsräume, die uns in vielen Bereichen der Gesellschaft fehlen. Wer den Mut hat, diese Stärken zu nutzen, findet nicht nur einen Job – sondern eine Aufgabe.