Vom tiefsten Fall zur klaren Mission: Wie ich verletzt am Boden lag und lernte, Brücken für das Miteinander zu bauen.
von
Beate Antonie Tröster
| 21.10.2025
Die Illusion vom perfekten Plan
Ich habe Kulturwissenschaften studiert und dachte, mein Weg sei klar: Bühne, Kunst, Kultur. Meine Arbeit in der Konzert- und Gastspieldirektion war spannend. Doch das Leben biegt manchmal unerwartet ab – in meinem Fall war es die Wiedervereinigung Deutschlands.
Für mich hieß das: Neustart, anderer Job. Plötzlich veränderten sich die Strukturen im Osten. Während Zuwanderung im Westen längst zum Alltag gehörte, war sie im Osten noch die Ausnahme. Vor dieser neuen Realität stand ich vor einer Aufgabe, auf die mich mein Studium nicht vorbereitet hatte: Ich sollte ein Integrationsnetzwerk aufbauen, das alle an einen Tisch holt: Ämter, Vereine, Organisationen und die Zuwanderer selbst.
Ich merkte schnell, dass ich mich in meiner eigenen Kultur zurechtfand. Im Umgang mit fremden Kulturen war ich jedoch unsicher. Mir fehlten Sprachkenntnisse, es kam zu Missverständnissen und Fehleinschätzungen und ich hatte nicht die nötigen Erfahrungen und das Wissen. Es gab keine fertige Anleitung für die Zusammenarbeit. Ich musste viel lesen und ausprobieren – und scheiterte dabei oft genug.
Mein Tiefpunkt wurde meine klare Mission
Die größte Zerreißprobe war eine groß angelegte Mobbingaktion durch eine ausländische Frau. Die Vorwürfe trafen mich so hart, dass ich stark verletzt am Boden lag. Ich zweifelte an allem, was ich tat. Es fühlte sich an wie ein tiefer Fall.
Gerade in dieser Verzweiflung fand ich jedoch meine wichtigste Lektion: Wenn dich nichts mehr stützen kann, musst du fest an dich selbst glauben. Nachdem die Vorwürfe geklärt und dementiert wurden, stand ich gestärkt wieder auf. Die Menschen sahen meine Arbeit nun klarer, sie wurde anerkannt und geschätzt. Die persönliche Krise zeigte mir: Unsere größte Stärke ist die Fähigkeit, nach einem Tiefpunkt wieder aufzustehen.
Was von den Verletzungen bleibt
Meine Geschichte beweist, dass es nicht den einen geraden Karriereweg gibt. Oft sind es die Umwege, Rückschläge und Neuanfänge, die uns zu unserem eigentlichen Auftrag führen.
Heute, 25 Jahre später, existiert das Integrationsnetzwerk immer noch. Das führte zur Gründung des Zentrums für Integration, das für Migrantenvereine bis heute eine echte Heimat ist. Über zwei Jahrzehnte hinweg hatte ich dort wöchentlich mit Hunderten Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen zu tun.
Meine wichtigste Erkenntnis: Jeder Mensch ist einzigartig. Kulturunterschiede müssen uns nicht trennen. Im Gegenteil, wir können sie gemeinsam erfolgreich nutzen. Wie das geht? Indem wir uns kennenlernen, akzeptieren und anerkennen. Nur so vermeiden wir Missverständnisse und Konflikte, die sonst überall entstehen.
Meine Lösung für die vielen Konflikte zwischen Menschen, in unserem Land und auf der Erde lautet deshalb: „Lass uns miteinander reden und nicht übereinander.“
Ich sehe meine Mission darin, Menschen und Kulturen miteinander zu verbinden. Dies setze ich als Dozentin für Interkulturelle Kompetenz und als Autorin meiner Bücher „Von fremd zu bekannt – Interkulturelle Kompetenz in der Verwaltung“ (2023) und „Kulturelle Unterschiede erfolgreich nutzen“ (erscheint 2026) um.
Wir brauchen ein echtes Miteinander
Fühlen Sie sich unsicher oder fremd, wenn Sie Menschen aus anderen Kulturen begegnen? Das ist okay. Wir können diese Gefühle ändern, wenn wir Neugier zulassen. Hören wir auf, übereinander zu reden, und beginnen wir, miteinander zu reden. Das ist die einfachste Formel für weniger Konflikte. Nutzen wir unsere Vielfalt – sie ist ein Geschenk für unsere gemeinsame Zukunft und unser größtes Kapital.